Kritik: Doctor Who – The Lie of the Land

Series 10, Episode 8
mit Peter Capaldi, Pearl Mackie und Matt Lucas
Drehbuch: Toby Whithouse
Regie: Wayne Yip
45 Min. / Erstausstrahlung 3.6.2017

C+

Mit Spoilern.

Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit bin ich in einer ungewohnten Situation: Ich mag zwei aufeinanderfolgende Doctor Who-Episoden nicht. Üblicherweise unterscheiden sich einzelne Folgen so sehr voneinander, dass, sollte mal ein Reinfall in Curse of the Black Spot-Manier die Laune für eine Woche etwas trüben, die nächste das gleich wieder The Doctor’s Wife-Style gerade bügeln kann. Eine Ausnahme sind Doppelfolgen wie der Slitheen-Zweiteiler aus Staffel 1, bei dem beide Parts einigermaßen nerven. Aber gilt diese Ausrede bei The Lie of the Land? Es ist der Abschluss einer über drei Episoden erzählten Geschichte, doch die drei Akte unterscheiden sich so stark voneinander (und stammen sogar von verschiedenen Autoren), das man nicht von einem durchgängigen Mehrteiler sprechen kann. Der dritte Akt hat natürlich einiges zu schultern, aber auch mit viel Wohlwollen fällt es schwer, The Lie of the Land nicht als Enttäuschung zu sehen.

In den ersten zehn Minuten ist davon noch wenig zu spüren. Wir starten „in medias res“, brauchen keine Erklärung, wie die Mönche genau die Welt übernommen haben, denn sie waren schließlich – angeblich – schon immer da. Die graue Atmosphäre weckt nicht nur Erinnerungen an George Orwell, sondern auch an Day of the Moon und die Silence, die ebenfalls schon seit langem die Geschickte der Menschheit steuerten. Sogar die Mondlandung wird erneut erwähnt, wobei Autor Toby Whithouse sich leider die Gelegenheit zu einem „It’s a small step for monkkind…“-Witz durch die Lappen gehen lässt.

In dieser Anfangsphase wird Bill zum ersten Mal seit The Pilot die alleinige Hauptfigur. Ihr Kampf für die Wahrheit und die von gestern auf heute etablierte Ordnung, die vorgibt, schon immer existiert zu haben, ist ein spannender Konflikt, der gleich zu Beginn für Unsicherheit sorgt. Für die Thematik hätte man sich kaum einen besseren Zeitpunkt aussuchen können. Auch wenn ein „Fake News“-Namedrop und ein kurzer Anblick von Donald Trump die Geschichte unangenehm fest im Hier und Jetzt verankern, wurde sie bereits vor dem Ausgang der US-Wahl geschrieben. Man vergisst leicht, dass Donald Trumps Umgang mit der Wahrheit schon während des Wahlkamps Aufmerksamkeit auf sich zog und in einer Welt, in der er verloren hätte, wäre The Lie of the Land wohl eine mahnende Was wäre wenn-Folge gewesen.

Doch nicht nur die Mönche lügen, auch der Doctor tut es. Und damit, in gewisser Weise, lügt auch die Serie Doctor Who selbst. Die Ungewissheit darüber, was der Doctor zu Beginn eigentlich treibt, was sein Plan ist und ob er tatsächlich die Mönche unterstützt, ist zunächst die große Stärke von The Lie of the Land. Und sobald es Bill und Nardole auf das Schiff und zu ihm schaffen, werden wir erst Zeuge einer eindrucksvollen und schockierenden Rede, nach der Doctor wohl tatsächlich die Seiten gewechselt hat. Und dann der vielleicht schlechtesten 30 Sekunden Doctor Who seit sehr langer Zeit, mindestens seit David Tennants letzter Folge: Bill schnappt sich eine Pistole eines Wachmanns, schießt auf den Doctor, der gibt vor zu regenerieren, wie er es auch in den Trailern getan hat, und enthüllt schließlich, dass alles nur ein Test war, um herauszufinden, ob sie tatsächlich auf ihrer Seite ist.

What. The. Fuck.

Das mit Sicherheit größte Problem mit diesem Moment ist dass sie beide Hauptcharaktere vollkommen untypisch und unglaubwürdig handeln. Man lasse sich das noch einmal auf der Zunge zergehen: Der motherfucking „Man who never would“ Doctor fasst einen Plan, dessen zentraler Punkt darin besteht, seine Companion dazu zu bringen, ihn umbringen zu wollen. Das sollte für ihn nicht nur abstoßend unmoralisch sein, sondern auch einfach eine blöde Idee. Bill hat in Thin Ice ungewohnt aufrichtig und menschlich auf den Tod eines kleinen Jungen reagiert. Sie ist der letzte Mensch, der je zu einer solchen Maßnahme greifen würde, insbesondere da es überhaupt keinen Grund dazu gibt. Es ist keine Notwehrsituation und auch aus ihrer Sicht sollte es noch absolut möglich sein, dass der Doctor unter Gehirnwäsche steht und geheilt werden könnte. Die Vorstellung, dass sie den Entschluss treffen könnte, ihn umbringen zu wollen, ist beleidigend für den Charakter.

Abgesehen davon bringt die Auflösung der Szene die Folge auch um eine sehr interessante Idee: Was, wenn der Doctor wirklich auf der Seite der Mönche wäre? Was, wenn Bill und Nardole tatsächlich gezwungen wären, gegen ihn zu arbeiten und wieder auf ihre Seite zu bringen? Das wäre doch wirklich etwas Neues gewesen und vor allem ein echter erster Härtetest für Bill, die bisher nur selten außerhalb der Einflusssphäre des Doctors agierte. Wir hätten auch etwas mehr über die Mönche herausfinden können, denn über die existieren auch nach drei Folgen immer noch viel zu viele ungeklärte Fragen (manche davon – Was sollte das mit dem „Consent“? – sind noch auf The Pyramid at the End of the World zurückzuführen, andere – Warum haben sie überhaupt die Gestalt von Mönchen? Einfach weil Extremis im Vatikan spielte?). Stattdessen ist der Rest der Folge eher Doctor Who vom Fließband und die große Endszene, in der die Mönche besiegt werden, ist ähnlich neblig und unverständlich wie die Mönche selbst.

Und was war jetzt mit der Regeneration? Zweimal wurde in frühen Trailern auf die Regeneration des Doctors geteast. Es war von Anfang an einigermaßen offensichtlich, dass es nicht um Capaldis tatsächliche letzten Momente handeln würde, aber dass die Szene gleich so beiläufig abgehandelt wurde, fand ich dann doch enttäuschend. Und selbst innerhalb der Logik des bescheuerten Plans, den sich der Doctor ausgedacht hat, ergibt eine Fake-Regeneration keinen Sinn. Sein Test war beendet, sobald Bill auf ihn schoss. Und da sie nie eine Regeneration gesehen hatte, gab es keinen Grund, eine zu fingieren. So galt der Trick letztlich nur uns, den Zuschauern zuhause. Wie die Figuren in der Geschichte wurden wir in The Lie of the Land ziemlich veräppelt – und das auf nicht besonders elegante Art. Man kann das witzig finden, aber auch schlecht.

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