Kritik: Doctor Who – Oxygen

Series 10, Episode 5
mit Peter Capaldi, Pearl Mackie und Matt Lucas
Drehbuch: Jamie Mathieson
Regie: Charles Palmer
45 Min. / Erstausstrahlung 13.5.2017

A

Mit Spoilern.

Was ist hinter dieser verdammten Tür? Nach fünf ganzen Episoden wird sich nächste Woche endlich das Verlies für uns Zuschauer öffnen und uns aller Wahrscheinlichkeit nach Missy oder ihren Vorgänger John Simm präsentieren, und damit den zweiten Teil des Staffel 10-Handlungsbogens einleiten. Es ist fast ein bisschen schade, denn wie Oxygen beweist, ist die kleine Idee mit dem unbekannten Etwas im Keller der Universität eine der effektivsten Ideen, die sich bislang durch eine Doctor Who-Staffel zog. Anders als kleine Missy- oder Rose-Cameos ist das Verlies nämlich kein Easter Egg, es ist der narrative Überbau für die gesamte Staffel.

Denn auf einmal hat der Doctor eine Aufgabe. Der ziellose Abenteurer muss in der Gegenwart und auf der Erde bleiben – andernfalls drohen Konsequenzen (schreckliche, vermuten wir mal). Und so wird jeder Trip ins Ungewisse, sonst so selbstverständlich und unbedarft, zu einem Risiko. Was, wenn etwas schiefgeht? Was, wenn etwas passiert, das ihn daran hindert, weiter seiner Pflicht nachzukommen? Aber so beharrlich Nardole auch das verantwortungsbewusste Engelchen auf des Doctors Schulter spielt, letztlich ist der Timelord nicht aufzuhalten.

Oxygen bietet so viel Gesprächsstoff, dass man schnell vergessen kann, wie großartig die ersten fünf Minuten nach dem Vorspann sind: Ein rastloser Doctor, gelangweilt von seinem Leben auf der Erde und fasziniert sowie in tiefer Ehrfurcht vor dem Weltraum, den zu besuchen ihm verboten wurde. Bis er es nicht mehr aushält und er sich gemeinsam mit Bill und einem widerspenstigen Nardole doch aufmacht. Erinnerungen an Clara Oswald werden wach, die die Reisen mit dem Doctor einmal als eine Sucht bezeichnete, von der man unmöglich los kommen kann, wenn man einmal Blut geleckt hat.

Und so gibt der Doctor seiner Sucht nach. Er steuert den Ursprung eines Notrufssignals an und findet sich zu niemandes Überraschung in einer Doctor Who-Folge wieder – in einer ausgezeichneten sogar. Es gibt fantastische Monster, eine ungesehene Macht im Hintergrund, klaustrophobische Stimmung, gesellschaftskritische Satire und— Ein Ende mit Konsequenzen. In der letzten Szene wird eine vergleichsweise normale Folge plötzlich in einen völlig ungewohnten Kontext gesetzt. Denn ausgerechnet jetzt, wo das Universum den Doctor auf der Höhe seiner Möglichkeiten braucht, ausgerechnet jetzt trägt der Doctor einen bleibenden Schaden davon. Er ist erblindet.

Oxygen-Autor Jamie Mathieson hat bestätigt, dass die Folge wie alle unter Showrunner Moffat in einem regen Austausch an Ideen entstand. Von Mathieson kam die Grundidee, von Moffat der Vorschlag, dass die Raumanzüge die Gegenspieler sind. Mathieson nahm dem Doctor sein Augenlicht, um der unheimlichen Sequenz, in der er Bill das Leben rettet, mehr Gewicht zu verleihen, Moffat entschied sich, ihn nicht wie ursprünglich geplant am Ende zu heilen, sondern die Verletzung beizubehalten. Es ist ein solches Wechselspiel im Hintergrund, das viele der besten Doctor Who-Episoden auszeichnet – und Oxygen einen Cliffhanger sondergleichen beschert.

Es ist faszinierend, dass bei all dem Gewusel um wiederkehrende Charaktere und neue Bösewichte ein so wichtiger und ungewöhnlicher Spoiler bis zur Ausstrahlung der Folge vollkommen unenthüllt blieb, und Fans wie Samstagabendpublikum gleichermaßen schockte. In über fünfzig Jahren Seriengeschichte ist eine solche Storyline noch kein einziges Mal unternommen worden, und doch fühlt sie sich jetzt angemessen und spannend an, fast schon wie eine logische Konsequenz aus dem Übereifer und der mangelnden Selbstdisziplin eines Doctors, der sich gerade eben erst wieder daran gewöhnt hatte, ohne Trauer im Herzen zu leben.

Wie schon die Mathieson-Thriller Mummy on the Orient Express und Flatline ist Oxygen auf dem besten Weg, ein neuer Who-Klassiker zu werden. Vieles spielt hierfür eine Rolle. Er schreibt das neue TARDIS-Trio völlig mühelos und charismatisch, er hat einen brillanten Sinn für Spannungsaufbau und Dialoge. Auch von der technischen Seite ist einiges geboten, insbesondere während der Szenen außerhalb der Raumstation. Aber es ist dieses Ende, das der Folge seinen Stempel aufdrückt. Je nachdem, wie sich die nächsten Wochen entwickeln, könnte diese Story der Auftakt für eine der spannendsten Doctor Who-Perioden überhaupt gewesen sein.

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