Der Marketing-Zug für Staffel 10 von Doctor Who ist angelaufen – und hält an den gleichen Stationen wie in den letzten Jahren auch. Wir haben wie üblich das fragwürdig gephotoshopte, aber immerhin echt coole Promo-Foto…
…einen fantastischen ersten Trailer…
…und ein paar erste Details über den Inhalt der neuen Folgen. Die Eckdaten sind recht simpel: Es ist Peter Capaldis letzte Staffel als der Doctor, er wird begleitet von Pearl Mackie als Bill und Matt Lucas als Nardole. Wenn man den ersten Bildern und Interviews glaubt, dürfen wir auf etwas weniger düstere und (im Vergleich zu Staffel 9) eher bunte und unbedarfte Abenteuer freuen
Außerdem trägt die erste Episode den Titel The Pilot. Diese Benennung könnte man als einfachen Zufall verstehen, aber wo wäre da der Spaß? Nein, es scheint schon bezeichnend, dass es Doctor Who jetzt, endlich, nach 54 Jahren mal mit einer Pilot-Episode probiert (wer nicht weiß, was das ist, bitte hier klicken). Warum aber will Steven Moffat nach all dieser Zeit noch einmal von vorne anfangen?
Als Showrunner Russell T Davies im Jahr 2009 aus Doctor Who ausschied, hinterließ er eine Serie, mit der es praktisch nur noch nach unten gehen konnte. Er hatte das Familienfernsehen am Samstagabend zurück nach Großbritannien zurückgebracht, aus einer längst der TV-Geschichte und den Geeks überlassenen Marke eine Quoten-Sensation gezaubert, mit deren Erfolg niemand gerechnet hatte. So wie David Tennant und Billie Piper war zumindest im UK schon seit Jahrzehnten kein Doctor-Companion-Team verehrt worden, vielleicht noch nie.
Tatsächlich berichtete Moffat Jahre später, der Sender hätte die Serie damals bereits abgeschrieben. Im Doctor Who Magazine verriet er: „Als ich an Bord kam, sagte die BBC zu mir: ‚Wir haben nachgerechnet. Die Quoten werden jetzt einstürzen. Aber wir werden weiter daran festhalten. Solange es eine gute Serie ist, ist es uns erst einmal egal, wenn die Quoten nicht mehr so fantastisch ist wie früher.‘ Aber die Quoten blieben ziemlich genau gleich.“
Das stimmt – aber nur zur Hälfte. Die nackten TV-Quoten sind nämlich tatsächlich gesunken, von durchschnittlich 8 Millionen im Jahr 2008 auf 6 Millionen im Jahr 2015. Im Gegenzug stiegen dafür die internationalen Verkäufe und Online-Zugriffe, je mehr das klassische Fernsehen zum Auslaufmodell wurde. Selbst Quoten-Giganten wie Downton Abbey mussten in den letzten Jahren mit sinkenden Zahlen vorlieb nehmen, und eine Serie mit einem jüngeren Zielpublikum wie Doctor Who hat es dabei natürlich noch wesentlich schwerer.
Was sich tatsächlich in den letzten Jahren verändert hat, wird vor allem klar, wenn man die Zahlen der großen Specials betrachtet. Die Weihnachtsfolge 2007 etwa, mit Gaststar Kylie Minogue, brachte es auf unglaubliche 13 Millionen Zuschauer. Dafür schaffte ein halbes Jahr später Silence in the Library nur 6 Millionen, weniger als die Hälfte. Zum Vergleich: Die letzte Weihnachtsfolge mit Peter Capaldi sahen weniger als 8 Millionen, die schwächste Folge der vorangegangen Staffel aber immerhin auch knapp 6.
Das heißt: Das Publikum ist vielleicht geschrumpft, aber es ist auch treuer geworden. Anstatt nur noch für die großen Event- und Final-Folgen einzuschalten, schaut der durchschnittliche Who-Gucker von heute die ganze Staffel. Das ist der eigentliche Triumph der Moffat-Ära. Und die Geschichten haben sich entsprechend angepasst. Die Zeiten von kaum verbundenen Einzelepisoden wie unter David Tennant sind lange vorbei, seit Staffel 5 werden in Doctor Who deutlich komplexere und enger ineinander verflochtene Science Fiction-Storys erzählt. Das ist übrigens keine Wertung, schließlich haben beide Ansätze ihre berechtigten Fans.
Das Problem ist nur: Der Moffat-Ansatz kann nicht ewig so weitergehen. Staffel 9 war für viele Fans zwar die beste Staffel seit der Wiedereinsetzung der Serie 2005, aber für weniger fundierte Zuschauer gelegentlich auch schwer zu verstehen. Wenn bereits der Staffel-Opener mit Davros, der Shadow Proclamation, Missy, UNIT und Karn um die Ecke kommt ohne auch nur irgendetwas davon zu erklären, mutet man einem Teil seines Publikums doch ein wenig viel zu.
Deshalb braucht Doctor Who auch neue Zuschauer, neue Anknüpfpunkte zu denen man die Serie entdecken kann. Und es sieht ganz so aus, als könnte Staffel 10 der erste Punkt dieser Art seit 2010 werden. Durch die Augen einer neuen Companion, mit neuen Abenteuern und weniger Ballast alter Folgen. Es scheint paradox, aber gerade die letzte Staffel unseres Doctor-Showrunner-Gespanns ist vielleicht der Auftakt zu einer neuen Ära. Und hey, ich könnte mir kein besseres Team für dieses Projekt vorstellen.
Auf BBC 1 startet die neue Staffel am kommenden Samstag um 20:20 Uhr (unserer Zeit). Habe es durch Zufall entdeckt.
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