Kritik: Class – The Lost

Staffel 1, Folge 8
mit Greg Austin, Fady Elsayed, Sophie Hopkins, Vivian Oparah und Katherine Kelly
Drehbuch: Patrick Ness
Regie: Julian Holmes
45 Min. / Erstausstrahlung 3.12.2016

B

Eigentlich war keines der Reviews bisher spoilerfrei, bei diesem gilt aber eine besonders ausdrückliche Spoilergefahr. 

Ich möchte das letzte Review, das ich über die erste Staffel Class schreibe, mit einer Sache beginnen, die mir seit der ersten Folge unter den Nägeln brennt und die trotzdem sträflicherweise in keinem meiner Artikel Erwähnung fand. Die Titelmusik. Kaum etwas illustriert das gewaltige Problem, das diese Musik darstellt, so gut wie die neue und letzte Episode The Lost, die ihr Cold Open mit einem wirklich schockierenden und spannenden Moment beendet und durch eine tragische Fügung des Schicksals dazu gezwungen ist, diesen Moment umgehend zu untergraben, indem sie eine Sekunde später zu einem Song schneidet, der in etwa Charakter und Wiedererkennungswert von The Lazarus Experiment besitzt. Wer zur Hölle hat dieses Lied für eine gute Idee gehalten?

Das Schlimmste an der Titelmusik ist ja, wie gerade angedeutet, dass sie der Serie nicht würdig ist. Nachdem die erste Staffel nun komplett ausgestrahlt ist, wäre es übertrieben, von einem „Triumph“ oder einem „vollen Erfolg“ zu sprechen – allein die zurückhaltenden Zuschauerzahlen widersprechen dabei – aber das Doctor Who-Spin-Off, das anfangs sehr skeptisch gesehen wurde, hat ein Ziel auf jeden Fall erreicht: Acht Folgen lang kompetente und spannende Unterhaltung zu bieten.

Die finale Folge The Lost gehört in mancher Hinsicht sicher zu den besten der Staffel. Trotz weniger Actionszenen bietet sie ein Level an Spannung und Intensität, das bisher nur die Episoden 4 und 7 erreicht hatten – nach wie vor die beiden Highlights. Autor Patrick Ness hat keine Scheu, seine Figuren an ihre Grenzen zu treiben, und nach all den erzwungenen und etwas konsequenzlosen Konfrontationen, die die Charaktere bereits über sich ergehen lassen mussten, ist das eine Wohltat. Es gibt hier mehrere WTF-Momente, wie sie im Buche Joss Whedons stehen und die an die heillos chaotischen, aber immer höchst spaßigen Staffelfinals von Marvel’s Agents of SHIELD erinnern.

Auch Fans der Charaktere kommen auf ihre Kosten. Gerade das unerwartete Duo Quill und Tanya, die finale Konfrontation von April und dem Shadow Kin und die beständige Romanze zwischen Charlie und Matheusz geben der Folge einen emotionalen Unterbau, der über vieles hinwegsehen lässt. Aber leider nicht über alles. Der Plot von The Lost, wie von Class allgemein, ist bestenfalls unsauber und schlechtenfalls ein Fiasko. Ja, gerade ein Doctor Who-Fan sollte sich nicht immer über weit hergeholte Handlungsideen echauffieren, aber nach dem Finale bleiben so viele offene Fragen und unerklärte Geschehnisse zurück, dass es weniger Lust auf eine mögliche Fortsetzung macht, sondern eher frustriert.

Was bleibt also, nach einer Staffel Class? Eine der besten neuen Figuren im Whoniversum der letzten zehn Jahre: Katherine Kellys Miss Quill. Außerdem einige weitere interessante Charaktere, Abenteuer und Momente, experimentelle und durchgedrehte Konzepte. Es war spannend genug, gut genug. Aber was ist die eine Sache, über die alle Zuschauer nach dem Finale reden? Der Weeping Angels-Cliffhanger. Es war der größte Schock, der spannendste und wahrscheinlich beste Moment, den uns Class beschert hatte – und es war gleichzeitig die vielleicht engste Verbindung zu Doctor Who. Trotz des Versuchs, sich von der Mutterserie zu distanzieren, hat es Class nicht geschafft, aus ihrem Schatten zu treten. Und mit der breiten und qualitativ umwerfenden Konkurrenz, die eine Genre-Serie in unserer heutigen TV-Landschaft erwartet, ist „gut genug“ eben gerade nicht gut genug.

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