Kritik: Class – Die ersten zwei Folgen

Staffel 1, Folge 1-2
mit Greg Austin, Fady Elsayed, Sophie Hopkins, Vivian Oparah und Katherine Kelly
Drehbuch: Patrick Ness
Regie: Ed Bazalgette
2 x 45 Min. / Erstausstrahlung 22.10.2016

B-

Es ist ein Jahr her, dass die Doctor Who-Spin-Off-Serie Class angekündigt wurde, und eine Frage folgte ihr von der Ankündigung bis zur Ausstrahlung der ersten beiden Folgen am Samstag: Was hat das Ganze eigentlich mit Doctor Who zu tun? Und auch wenn wir nun die Figuren und ersten Storys kennengelernt haben, die Antwort auf diese Frage ist Class uns bis jetzt schuldig geblieben.

Und das ist eine eigenartige Sache. Dass Peter Capaldi selbst in der ersten Episode einen Auftritt haben würde, war seit langem bekannt, doch auch wenn sein Gastspiel enorm unterhaltsam ist und er seinen typischen genialen Charme loslassen kann, wirkt seine Szene merkwürdigerweise, als hätte jemand die eigentliche Geschichte unterbrochen und der Doctor wäre einfach zufällig in eine vollkommen andere Handlung gestolpert, die fast nichts mit ihm zu tun hat.

Nicht, dass mich jemand missversteht: Ich finde die ersten beiden Folgen Class nicht übel. Aber mit Doctor Who haben sie herzlich wenig zu tun. Und das wird besonders dadurch illustriert, dass das Erscheinen von Peter Capaldi so merkwürdig aus dem Rahmen fällt und es so gar nicht in die Story zu passen scheint. Ich werde das Gefühl nicht los, dass diese Serie wie sie jetzt ist, besser funktioniert hätte, wenn man sie einfach als neue junge Science-Fiction-Serie aufgezogen hätte, ganz ohne erzwungene Verbindung zu einem anderen Franchise. Wer weiß, vielleicht werden wir gegen Ende der Staffel noch von einem spontanen Angriff der Daleks überrascht, aber so wie es im Moment aussieht, kann man Class wohl am besten genießen, indem man die spärlichen Verbindungen zur Mutterserie ignoriertund einfach als eigenständige Geschichte betrachtet. Und das werde ich im Folgenden tun.

Ein Überblick: Class folgt den Abenteuern von vier Schülern, die wohl um die siebzehn sein sollen, auch wenn sie fünf Jahre älter aussehen, sowie ihrer Mathematiklehrerin Miss Quill. Schon früh wird klar, dass manche der Charaktere diverse Geheimnisse hüten, und als Folge dieser Geheimnisse wird die von ihnen besuchte Schule bald von diversen übernatürlichen Wesen heimgesucht, die auf gnadenlose und recht blutige Weise damit beginnen, Schüler und Personal zu massakrieren. Klingt wie Buffy, ist auch wie Buffy, und daran ist auch rein gar nichts auszusetzen.

Die erste Folge For Tonight We Might Die hat die gleichen Probleme wie viele Pilotfolgen. Sie wirkt einerseits inhaltlich dünn, andererseits ist sie vollgestopft mit Informationen über Pro- und Antagonisten und kommt so schließlich als eher wenig überzeugende Geschichte daher. Ihre Aufgabe ist es in eher, alle Schachfiguren in die richtigen Positionen zu bringen, damit die eigentliche Geschichte beginnen kann.

So gesehen war es eine sehr gute Entscheidung, die zweite Folge The Coach With the Dragon Tattoo gleich mit zu veröffentlichen, denn dieser fehlt zwar der Doctor, doch man fühlt sich sofort wohler, wenn man das beobachtet, was in dieser Serie wohl der Alltag ist: Einen klassischen Monster der Woche-Fall, während dem wir die Schicksale der einzelnen Figuren, insbesondere des Fußballers Ram, etwas genauer verfolgen. Die Folge ist schnell, spannend, blutig und macht insgesamt einen Heidenspaß. Wenn dieses Niveau beibehalten werden kann, könnte in den restlichen sechs Folgen noch Großartiges auf uns zu kommen.

Es ist außerdem zu hoffen, dass diese Folgen die verschiedenen Charaktere noch ausführlicher ins Rampenlicht rücken werden. Bis jetzt sind nämlich nur zwei der fünf Protagonisten wirklich interessant: Der bereits erwähnte Ram sowie die Lehrerin Miss Quill. Mit ihr hat Class außerdem gleich den ersten Publikumsliebling, unter anderem weil ausgerechnet bei ihr der Buffy-Vergleich versagt. Anders als Giles, der als einziger Erwachsener als Mentor der Scooby Gang in Buffy fungiert, ist sie mindestens genauso störrisch, launisch und unberechenbar wie die Kids, wenn nicht sogar um einiges mehr. Darstellerin Katherine Kelly genießt ihre moralisch fragwürdige Rolle in vollen Zügen und holt aus jedem Blick und jeder Drohung die maximale unirdische Faszination heraus. Wenn es einen Class-Charakter gibt, der auch ruhig in Doctor Who selbst auftreten könnte, dann sie.

Ob auch die anderen Figuren, vor allem die nicht nur hautfarbetechnisch blassen April und Charlie ebenfalls noch Gelegenheit bekommen werden, sich zu entfalten, werden hoffentlich die nächsten Folgen verraten. Aus insgesamt acht Folgen wird die erste Staffel bestehen und wenn diese Erfolg hat, könnte eine zweite folgen. Ein vollwertiger Ersatz für Doctor Who ist Class jedenfalls nicht, aber wenn wir schon bis zum nächsten Frühling auf Staffel 10 warten müssen, stellt die Show zumindest ein unterhaltsames Alternativprogramm für alle dar, die von britscher Science Fiction nicht genug bekommen können – und es zustandebringen, sich in die Mediathek der BBC hineinzuschmuggeln.

2 Kommentare

  1. Würd ich mir auch gern anschauen wollen, habs bisher aber noch nicht in die Mediathek reingeschafft …

    (Allerdings werden die Folgen irgendwann auf BBC One gesendet? Das krieg ich hier rein, aber bisher stand im Plan noch nix.)

    Und das mit dem „ganz ohne erzwungene Verbindung“: Das scheint ja inzwischen häufiger vorzukommen, für mich sah der ganze erste Reboot-Star-Trek Film so aus als hätte jemand unbedingt Nimoy casten müssen, egal welcher plot dann dabei entsteht.

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    • Die Folgen werden auf jeden Fall früher oder später auf BBC One laufen, Sendezeiten etc stehen aber meines Wissens leider noch nicht fest.

      Star Trek ist ein ganz guter Vergleich. Da fand ich den ersten Reboot-Film noch sehr gut, aber im zweiten, als dann noch viel krampfhafter versucht wurde, alte Plot-Elemente mit rein zu bringen, lief alles ziemlich aus dem Ruder.

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