Die interessantesten Nachrichten sind manchmal die, die am wenigsten sexy daherkommen. Vor anderthalb Wochen wurde unter viel Getöse Pearl Mackie als neue Companion für Staffel 10 angekündigt, aber dennoch schien diese Neuigkeit nicht die Welt in Brand zu stecken. Zumindest meine nicht. Vermutlich liegt das daran, dass die junge Schauspielerin ein noch zu unbeschriebenes Blatt ist und der erste Clip zu wenig aussagekräftig, um wirklich Aussagen über die Zukunft der Show zuzulassen.
Was die RadioTimes aber heute exklusiv vom Stapel gelassen hat, als die Welt gerade für zwei Sekunden vom neuen Radiohead-Video abgelenkt war, hat es in sich. Ich müsste eine Weile überlegen, wann das letzte Mal in der Doctor Who-Welt etwas angekündigt wurde, das einerseits so vage und andererseits so spannend klingt.
Wenn Chris Chibnall 2017 die Showrunnerzügel von Steven Moffat übernimmt und die Produktion von Staffel 11 in die Gänge kommt, wird sich nicht nur das Personal hinter den Kulissen geändert haben – die ganze Autorenstruktur gleich mit. Chibnall will sich nämlich weniger am bisherigen Modell orientieren, dem seine Vorgänger folgten, sondern einen Blick in die Vereinigten Staaten werfen – ein „Writer’s Room“ soll her.
Das würde einen enormen Bruch mit dem bisherigen Produktionsalltag Doctor Whos bedeuten. Seit 2005 war der Showrunner immer die zentrale und einzige Schnittstelle für alle kreativen Angelegenheiten. Er traf alle wesentlichen Handlungsentscheidungen, bestellte die Skripte, führte Gespräche mit den anderen Autoren und schrieb die wichtigsten Episoden – zwar mit Hilfe von Redakteuren und Produzenten, aber im Wesentlichen allein.
Chibnalls Herangehensweise soll das ändern. Wie ein Sprecher der BBC mitteilt, erforscht der neue Showrunner gerade neue Möglichkeiten, mit Skripten umzugehen und führt dafür auch Gespräche mit der britischen Autorengilde. Wie das fertige Konzept am Ende aussieht, ist noch weit von entschieden, aber eins ist klar: Es wird auf mehr Kollaboration hinauslaufen. Anstatt eine Person zu haben, die alles selbst lenkt und entscheidet, soll es mehr Kommunikation zwischen den Autoren geben, Entscheidungen sollen mehr in der Gruppe gefällt werden.
Im amerikanischen Fernsehen ist so etwas schon lang gang und gäbe. Das bei den meisten US-Serien übliche „Writer’s Room“-Modell beinhaltet tatsächlich einen physischen Raum, in dem die wichtigsten Autoren sich aufhalten, gemeinsam Pläne schmieden und über Ideen diskutieren. Möglich ist das vor allem, da es in den USA entsprechende Fernseh-Hochburgen gibt, in denen die wichtigen Autoren ohnehin bereits wohnen. Die erste Schwierigkeit für die Übertragung ins Vereinigte Königreich könnte also sein, erst einmal alle benötigten Leute nach Cardiff umzusiedeln (oder sich auf viele Skype-Gespräche vorzubereiten).
Aber es gibt noch andere Aspekte, die das Vorhaben zum einem gewagten machen. Ein Teil des großen Erfolgs des Doctor Who-Reboots war immer die wichtige Rolle, die die Autorschaft spielte. Eine Steven Moffat-Folge ist unverkennbar eine Steven Moffat-Folge, eine Mark Gatiss-Folge unverkennbar eine Mark Gatiss-Folge etc. Genau wie ständig wechselnde Regisseure und Staffelstrukturen machen auch die verschiedenen Autoren den Reiz der Serie aus. Sie machen die Folgen unberechenbar und unabhängig voneinander.
Die größte Stärke von Doctor Who ist und bleibt die Tatsache, dass sich die Figuren jede Woche in einem neuen Abenteuer und einer neuen Welt wiederfinden können. Eine entsprechend neue Sprache und ein wechselnder Stil gehört da für mich mit dazu. Diese Serie hat schon immer am besten funktioniert, wenn eine Person sie wirklich gut verstand und keine Scheu hatte, ihr ihren eigenen Stempel aufzudrücken. Zu viele Köche könnten hier den Brei verderben – beziehungsweise einen Einheitsbrei daraus machen, der die individuellen Eigenheiten der Episoden ausbeult.
Auf der Gegenseite bringt die Idee aber auch unabstreitbare Vorteile mit sich: Mehr Kollaborationen zwischen den Autoren sollte zu einer stimmigeren Staffel führen, Charakterentwicklungen und Story-Arcs können besser abgestimmt werden und die unvermeidliche „Trainwreck“-Folge, die bei den meisten Fans durchfällt und die in jeder Staffel unweigerlich vorkommt, könnte durch frühes Einschreiten der anderen Autoren schnell abgefangen und „gerettet“ werden. Es sollte auch die Fans zufriedenstellen, die mit der Ernennung von Chibnall nicht besonders zufrieden waren.
Die weiteren Entwicklungen werden sicher spannend zu beobachten sein. Wird Chibnall einige von Moffats Stamm-Autoren wie Peter Harness, Jamie Mathieson und Toby Whithouse in seinen Writer’s Room aufnehmen oder ein ganz neues Team zusammenstellen? Und vor allem: Werden wir – wenn Staffel 11 2018 endlich ausgestrahlt wird – überhaupt etwas von der Umstellung bemerken? Denn wenn nein, was ich mir gut vorstellen kann, war diese Nachricht wohl doch zurecht unsexy.
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