Clara, my Clara
Spoilerfreie Reviews haben auch ihren Vorteil. Ich werde wegen mangelnder Nachfrage nach dieser Staffel wohl keine mehr schreibe, aber manchmal können sie zu angenehmen Resultaten führen. So habe ich in meinem spoilerfreien Text zu Hell Bent eine ganze Menge darüber geschrieben, was die Time Lords für den Doctor bedeuten und warum sie letztendlich für die Story unwichtig sind. Hätte ich auch noch erwähnen müssen, was wirklich für die Story wichtig ist, hätte das das Review gesprengt. So kann ich mich also jetzt ganz uneingeschränkt darüber auslassen, worum es in Hell Bent eigentlich ging: Um Clara. Und um den Versuch des Doctors, sie zu retten.
Steven Moffat ist für viele Dinge bekannt und merkwürdigerweise gehört dazu sowohl sein Blutdurst, der sich in unzähligen Toten niederschlägt als auch die Tatsache, dass in seinen Geschichten fast niemand dauerhaft stirbt. Diverse Gast-Charaktere ausgelassen, ist bis auf Danny Pink noch kein wesentlicher Charakter seit der fünften Staffel dauerhaft abgekratzt. Rory stirbt unzählige Male, kommt aber immer wieder zurück. Die Ponds sind zwar tot, leben aber vorher ein glückliches Leben. River kommt ein ums andere Mal wieder, genauso Osgood, Missy und nun auch Clara. Oder? Ist es wirklich so einfach?
Beim ersten Mal Schauen von Hell Bent machte ich mir währenddessen gewaltige Sorgen. Sobald der Doctor Clara aus der Trap Street befreite, war mir unwohl. Nicht weil ich Clara nicht mag, im Gegenteil, aber Claras Abschied in Face the Raven war so bewegend und so ihrem Charakter entsprechend, dass mir die Vorstellung, all das würde einfach mit ein bisschen Time Lord-Magie umgangen, ziemliche Bauchschmerzen machte. Doch wie immer in einem Steven Moffat-Skript ist nicht alles wie es scheint. Clara kommt zwar mehr oder weniger davon, das aber mit Konsequenzen. Und ihr Leben ist dennoch vorbei, denn nachdem ihr Umweg zusammen mit Me gemacht ist, muss sie zurück nach Gallifrey und sich ihrem Tod stellen – genau wie es in Face the Raven geschehen ist.
Was macht es also okay, dass Claras tragisches Ende nachträglich zumindest teilweise zu einem glücklichen umgeschrieben wird? Ganz einfach: Weil es funktioniert. Mit einem emotionalen und fantastisch geschriebenen Moment in der Vergangenheit herumzuspielen, ist sowohl für den Doctor als auch für uns Zuschauer ein ziemlich heißes Eisen, aber ein Problem entsteht nur dann, wenn das, was in der neuen Version herauskommt, es nicht mit dem Original aufnehmen kann. Und dieses Problem hat Hell Bent kein bisschen. Claras letzter Abschied (zumindest bis auf weiteres und meine Güte, hatte sie schon viele Abschiede) ist sowohl gefühlsmäßig als auch als mit Blick auf ihre Charakter-Entwicklung stimmig und wunderschön. Der Unterschied ist nur: Diesmal ist nicht so deprimierend.
Seit Clara die Impossible Girl-Storyline hinter sich hatte, begann sie damit, sich immer mehr dem Doctor anzugleichen. Er war Vorbild, Mentor, wie auch immer, nur dass sie sich nie gern in der Position des Lehrlings sah, sondern in der eines gleichberechtigten Abenteurers. Nachdem sie bereits seine Schlagfertigkeit und Überheblichkeit angeeignet hatte, kam nach dem Tod von Danny ein weiterer unguter Aspekt dazu: Eine Leichtsinnigkeit, wie sich nur jemand erlauben kann, der mehr als einen Körper zur Verfügung hat.
Face the Raven war die logische Konsequenz dieser Entwicklung, doch Hell Bent genauso. Mit ihrem eigenen Tod immer noch im Bewusstsein entscheidet sie selbst, wie ihr Leben zu Ende gehen wird. Sie entscheidet selbst über ihr Schicksal, bis zum letzten Augenblick und ist nicht bereit, sich vom Doctor diese Entscheidung abnehmen zu lassen. Gibt es ein passenderes Ende für den Kontrollfreak? Und wenn sie ihr Schicksal noch ein bisschen länger als gedacht unter Kontrolle hat, wie würde Clara Oswald ihre letzten Momente verbringen? Natürlich als Doctor. Und auf der Suche nach Abenteuern in einer TARDIS. Sogar eine Companion hat sie dabei.
Der Fokus auf Clara war für Hell Bent wichtig, für die ganze Staffel sogar. Denn wie ich schon vor einigen Wochen nach The Zygon Invasion meinte, musste Clara dieses Jahr in einigen Belangen etwas kürzer treten. In The Witch’s Familiar und Before the Flood steckte sie im B-Plot der Folge fest, in The Woman Who Lived hatte sie nicht mehr als ein Cameo, in der Zygon-Doppelfolge wurde sie durch einen Doppelgänger ersetzt, in Sleep No More gab es außer Herumrennen kaum etwas für sie zu tun und in Heaven Sent war sie abwesend weil tot. Es ist gut und richtig, dass sich Hell Bent nicht mit dämlichen Time Lords, sondern mit ihr und dem Doctor beschäftigt hat, auf eine menschliche und emotional erwachsene Art.
Tatsächlich liegt das Herz dieser Folge in einfachen Dialogen, in Flehen und Widersprechen und traurigen Blicken. Normalerweise wird einem Staffelfinale das gesamte Universum oder wenigstens ein ganzer Planet gerettet. Hier geht es nur um eine Frau. Und die Rettung ist nicht mal hundertprozentig erfolgreich. Clara hat immer noch keinen Puls, sie steckt zwischen den letzten beiden Herzschlägen ihres Lebens. Man könnte fast sagen, sie wäre ein Geist geworden. Nur dass sie das selbst anders sehen würde. Clara Oswald lebt, vielleicht auf merkwürdige Art, aber sie tut es. Wie sie bei ihrem ersten Auftritt am Ende von The Snowmen vor fast drei Jahren schon sagte: Sie glaubt nicht an Geister.
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Fotos © BBC