Raus aus der Patsche
Das Schreiben einer Doctor Who-Folge ist – im Vergleich zu den meisten Serien – eine ziemliche Herausforderung. Nicht nur muss ein Problem während ein oder zwei Folgen vorgestellt, entwickelt und aufgelöst werden, diese Problemlösung muss auch etwas hermachen. Der Doctor ist nun einmal bekannt als Alien mit Grips und wenn der Auftritt von ihm oder seiner Companion am Ende enttäuscht, enttäuscht damit auch die ganze Folge. Er kann schließlich nicht einfach wie in jeder x-beliebigen Krimiserie dem Bösewicht mit einer Pistole hinterherrennen und dadurch gewinnen, dass er ein bisschen schneller ist.
Stattdessen funktionieren Folgen üblicherweise so, dass sich zunächst eine böse Macht offenbart, diese gegen Ende kurz davor ist, etwas Schreckliches zu tun und der Doctor im letzten Moment einen Plan aus der Tasche zieht, der den bösen Plan vereitelt. Aber er darf keine Waffen benutzen. Wie wichtig dieser Aspekt für Doctor Who ist, zeigt sich zum Beispiel in The Girl Who Died, als Clara dem Doctor stundenlang partout nicht abnehmen will, dass ihm kein richtiger Plan einfällt und er am liebsten einfach nur alle in Sicherheit bringen würde. Natürlich nur, bis ihm das mit den Zitteraalen einfällt und er doch einen Plan hat.
Eine Folge steigt und fällt oft mit ihrer Auflösung. Es gibt natürlich Ausnahmen (z.B. Listen oder Vincent and the Doctor), aber mitzuraten, wie der Doctor aus dieser Situation wohl rauskommen könnte, macht einfach Spaß und zu sehen, wie er es dann tatsächlich schafft, genauso. Manche Auflösungen bestehen aus einer sagenhaft komplizierten List, die Elemente aus der ganzen Folge mit einbaut und dadurch besonders genial wirkt. Ein solcher Fall ist beispielsweise Day of the Moon, wo der Doctor die erinnerungsresistenten Silence dadurch besiegt, dass er ein Video mit den Worten „You should kill us all on sight“ während der Live-Übertragung der Mondlandung im Fernsehen abspielt.
Es geht aber auch einfacher. In Mummy on the Orient Express besteht die Antwort aus zwei Worten „We surrender!“, in The Wedding of River Song aus einem Kuss. Enttäuschend wird es nur dann, wenn die Auflösung enttäuscht, weil sie entweder unkreativ (das nichtssagende Schraubenzieher-Gefuchtel in The Power of Three) oder kompletter Blödsinn ist (schwebender Jesus-Doctor in Last of the Time Lords). Eine Folgenauflösung zu finden, die einerseits unberechenbar, aber andererseits logisch und konsequent ist und die gleichzeitig auch noch auf Klugheit und nicht auf physischer Kraft beruht, ist ganz bestimmt keine leichte Aufgabe. Doch für viele Doctor Who-Fans ist dies einer der der, wenn nicht der wichtigste Teil der Folge. Und man muss ihnen auch irgendwie recht geben. Für Schießereien schaut man andere Serien.
Aber wofür schauen wir Doctor Who? Für den Mut zum Idealismus. Zumindest ein bisschen. Die Rede, die der Doctor am Ende von The Zygon Inversion hält (und die ihr euch mit einem Proxy-Addon oder VPN auch auf Youtube anschauen könnt) ist ganz erwartungsgemäß die Szene geworden, über die im Nachhinein alle sprechen. Der AV Club spricht von einem „Schlussplädoyer gegen den Krieg“, laut dem Guardian wurde der Doctor „nie besser geschrieben und immer wieder liest man von Peter Capaldis bis jetzt bestem Moment in seiner Rolle. Und es ist auch klar, warum.
Ich habe in meiner spoilerfreien Kritik schon ausführlich über die Szene geschrieben, aber der Aspekt, den ich weglassen musste, ist das Ende. Denn es gelingt dem Doctor tatsächlich, sowohl Kate als auch Bonnie zu überzeugen. Er hat das Leben unzähliger Menschen und Zygons gerettet – mit nichts als Worten. Dieses Ende zeugt von einer Dreistigkeit, wie sie sich nur Doctor Who erlauben könnte. Und das ist auch der Grund, warum diese Szene so gut ist. Die ganze Kraft, die sowohl in den vorgeschriebenen Worten als auch in Capaldis Performance liegt, entfaltet ihre Wirkung erst so richtig, in der wir sehen, wie Bonnie ihre Box schließt.
Denn das ist es, was diese Szene so toll macht. Der Doctor, von dem wir immer die kreativsten und coolsten Problemlösungen erwarten, stellt sich einfach hin und redet. Es ist einerseits unerwartet und absurd, aber andererseits vollkommen passend und mitreißend. Aber so ganz ohne coole technische Hilfe kann es auch der Doctor nicht. Am Schluss erfahren wir, dass diese ganze Situation schon 15 mal so stattgefunden hat und lediglich die Erinnerungen der Beteiligten gelöscht wurden. Also doch ein komplizierter Plan. Best of both worlds.
Ausblick
Nächste Woche wird es creepy! Mark Gatiss, seines Zeichens unfassbar sympathischer Mensch und leider meist relativ unspektakulärer Doctor Who-Autor durfte mit Sleep No More endlich die Folge verwirklichen, die ihm schon seit Jahren im Kopf herumspukte. Found Footage im Weltraum. Mit Schlaf-Monstern namens Sandmen. Erste Eindrücke versprechen wieder mal eine Doctor Who-Episode wie keine zuvor. Und: Es handelt sich hier um die erste komplett alleinstehende Folge des Jahres. Also endlich mal kein Cliffhanger.
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Doctor Who Extra
Stuart Mannings Episodenposter
Die BBC hat nur drei Drehorte
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Doctor Who?
Fotos © BBC