Kritik: Doctor Who – The Girl Who Died

Series 9, Episode 5
Deutscher Titel: Das Mädchen, das stirbt
mit Peter Capaldi und Jenna Coleman
Drehbuch: Jamie Mathieson & Steven Moffat
Regie: Ed Bazalgette
45 Min. / Erstausstrahlung 17.10.2015

A

Ich hatte Unrecht.

Nachdem ich gestern Abend The Girl Who Died zu Ende geschaut hatte, dachte ich erst, es wäre die erste Enttäuschung der Staffel gewesen. Sicher, eine Menge Gutes war auch dabei und das Niveau der vier vorangegangenen Folgen war auch vielleicht einfach zu hoch, um konstant gehalten werden zu können. Aber eine Episode von Jamie Mathieson und Steven Moffat, den beiden aktuell besten Who-Autoren und noch dazu mit Maisie Williams in einer Nebenrolle, sollte doch eigentlich etwas ganz Besonderes werden. Oder?

Ich hatte The Girl Who Died ursprünglich etwa auf dem Niveau von Under the Lake angesiedelt. Definitiv gut, tolle Ideen, aber vielleicht einfach noch nicht ganz ausgereift und hier und da etwas holprig. Aber Under the Lake war vorbei, als es vorbei war. Nichts darin war Grund für Kopfzerbrechen oder Tagträume, Anlass dazu, Szenen ein ums andere Mal im Kopf zu wiederholen und so in den großeren Kontext einzuordnen. Diese Folge tat all das, sie wuchs in jeder Minute, nachdem ich sie gesehen hatte. Heute Abend habe ich es ein zweites Mal getan und komme zu einem ziemlich heftigen Schluss:

The Girl Who Died ist nicht nur die beste Folge der Staffel bis jetzt, sondern sogar ein zweites The Day of the Doctor. Okay, die Wikingerstory hier mit der besten Doctor Who-Folge aller Zeiten zu vergleichen ist natürlich erst einmal ziemlich abwegig, aber beiden Geschichten funktionieren auf sehr ähnliche Art. Denn auch wenn man es bei dem herzerweichenden Finale gern vergisst: The Day of the Doctor ist hauptsächlich eine alberne Komödie. Es ist eine Folge, in der zwei Doktoren ihre Screwdriver zum Schwanzvergleich herausholen, sich ein Zygon in die Königin von England verwandelt und wesentliche Plotzusammenhänge mithilfe eines Fez dargestellt werden.

Doch die ernsten Momente – auch wenn sie in der Unterzahl sein mögen – führen uns fast schon beängstigend nahe an die mythologische Figur des Doctors heran, an das was ihn antreibt, das was ihn ausmacht, das was wirklich in ihm vor geht. Und das sind die Momente, an die wir uns erinnern, die uns noch tagelang im Kopf herumspuken und uns auf brillante Art dem Doctor näher bringen, nur damit wir abermals lernen, dass wir doch ach so weit von diesem außerirdischen Fremden entfernt sind.

Wenn in The Girl Who Died die Zeit dieser Momente gekommen ist, ist es nicht nur Peter Capaldi, der allein durch seine Ausstrahlung zu Tränen rührt, es ist die Balance an Verständnis und Entfernung, die uns als Zuschauer fertig macht und an den Bildschirm fesselt. Denn letztendlich ist sich der Doctor oft selbst nicht sicher, wer er eigentlich ist und was er tut. Besonders toll an Capaldis Doctor ist, dass er – anders als die meisten seiner Vorgänger ziemlich ehrlich mit der Sache umgeht. Er spricht aus, was er denkt und ihn in den Wahnsinn treibt.

Es sind Szenen wie die gegen Ende der Folge, die sich für immer als Klassiker in die Doctor Who-Geschichte einbrennen. Bewegend, perfekt in Szene gesetzt und mit Implikationen, die weit über diese eine Folge herausreichen. Wieder einmal beweist Steven Moffat, dass er den Doctor vielleicht besser versteht als je ein anderer Autor in der Geschichte der Serie. Das ist eine kühne Behauptung, aber mir fiele niemand ein, der die Tragik und gleichzeitige Komik dieser Figur so gut aufgreifen kann.

Aber Moment: Hat da jemand was von Komik gesagt? Lasen sich die letzten paar Absätze nicht eher wie ein Text über eine nachdenkliche und tiefgründige Folge? Man vergisst es beinahe, aber ja: The Girl Who Died ist eine Komödie und sogar noch ein kleines Stück alberner und dreister als es The Day of the Doctor war. Das hier ist die lustigste Folge der Staffel und streckenweise so absurd, dass Beschwerden über historische Fehler wie gehörnte Wikingerhelme oder Zitteraale an nordischen Küsten völlig am Ziel vorbeisegeln.

Es ist also kein Wunder, dass die Rezeption – ähnlich wie letztes Jahr auf Robot of Sherwood – nicht komplett positiv ausfällt, aber genau diese weite Bandbreite an Stilen und Emotionen bringt Doctor Who als Serie perfekt auf den Punkt. Ich habe schon darüber geschrieben, wie zentral die Figur des Doctors für diese Folge ist und die Sache ist nun mal die: Wenn der Doctor irgendwo ist, dann ist eines nicht weit: Alberne Aliens, lächerliche Pläne und historisch fragwürdig dargestellte Gestalten.

Hatten Wikinger wirklich gehörnte Helme? Nein. Hätte die echte Königin Elisabeth bereitwillig den Doctor geheiratet? Wahrscheinlich nicht. Aber beide wurden in der echten Welt auch nicht von Außerirdischen heimgesucht, die die Erde vernichten wollten. Das ist das Schöne an The Girl Who Died, und an Doctor Who als Ganzes: Das Lustige gehört ebenso dazu wie das Traurige, das Tiefgründige so wie die schnellen Gags. Es gibt nicht Eines ohne das Andere. Wer das nicht einsieht, ist bei Doctor Who an der falschen Serienadresse und zwar seit der Doctor im Jahr 1963 das erste Mal seinen Fuß in die Steinzeit setzte.


Foto © BBC

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