Kritik: Doctor Who – Before the Flood

Series 9, Episode 4
Deutscher Titel: Vor der Flut
mit Peter Capaldi und Jenna Coleman
Drehbuch: Toby Whithouse
Regie: Daniel O’Hara
45 Min. / Erstausstrahlung 10.10.2015

B+

Doctor Who-Doppelfolgen waren mal eine recht einfache Angelegenheit. Anstatt eine Geschichte in 45 Minuten zu Ende zu erzählen, nahm sie sich die Zeit über anderthalb Stunden und wurde einfach in der Mitte durch einen Cliffhanger zweigeteilt. Doch heutzutage scheint dieses Modell etwas veraltet. In den letzten Jahren unterscheiden sich die beiden Folgen eines Zweiteilers oft gravierend und scheinen auf den ersten Blick nur wenig miteinander gemein zu haben.

So spielt beispielsweise The Big Bang fast komplett an anderen Orten und zu anderen Zeiten wie The Pandorica Opens und Death in Heaven setzt den makabren Charakter-Thriller Dark Water mit einem Invasions-Blockbuster fort. Es scheint, als wolle uns Steven Moffat nach und nach an einen Punkt bringen, an dem wir nicht einmal mehr sicher sein können, was eigentlich eine Doppelfolge ist und was nicht (dieses Thema wird in zwei Wochen wohl noch einmal relevant werden).

Before the Flood-Autor Toby Whithouse scheint Moffats Philosophie zu Herzen genommen zu haben. Zwar setzt der zweite Teil seiner Geschichte eigentlich relativ schnörkellos den Anfang fort, nur tut er das einhundertfünfzig Jahre vorher, mit einem optisch komplett unterschiedlichen Setting, einem neuen Monster sowie einer – besonders im Vergleich zum klaustrophobischen Under the Lake – beschwingteren Stimmung. Es ist ein tolles Beispiel für die Wandelbarkeit von Doctor Who. Viele andere Serien spielen ganze Staffeln lang immer an den gleichen paar Schauplätzen, aber Doctor Who lässt sich sogar etwas Neues einfallen, wenn es um zwei Folgen geht, die Teil derselben Geschichte sind!

Dass Whithouse die Handlung zumindest teilweise aus der Unterwasserbasis nach draußen verlagert, ist eine sehr gute Entscheidung. Auch in Before the Flood finden sich noch schaurige Geister-Momente und Korridor-Gerenne, aber es hilft enorm, dass zwischendurch auch beim Doctor an der frischen Luft verschnauft werden darf. Der Szenenwechsel macht die Unterwasser-Szenen noch um einiges klaustrophobischer und gruseliger und sorgt allgemein für Abwechslung. 90 Minuten Korridore am Stück wären auch einfach ein bisschen much.

Aber was gibt es stattdessen? Letzte Woche habe ich in meiner Under the Lake-Kritik angesprochen, dass Autor Toby Whithouse die um ihn brodelnden Showrunner-Nachfolge-Gerüchte nicht vollständig rechtfertigen konnte. Zu vorhersehbar schien mir die Geschichte. Before the Flood ist in diesem Sinne eine Verbesserung, zwar lassen sich ein oder zwei der Überraschungen recht gut vorausahnen, aber man wird als Zuschauer permanent zum Miträtseln aufgefordert und das Skript scheint einem immer einen kleinen Schritt voraus. Anders als im geradlinigen Teil 1 wird hier deutlich mehr mit Zeit- und Raumreisen, Täuschungen und Lügen herumgespielt.

Doch das Merkwürdige, was dann passiert: Auf einmal verliert die Folge ihre Withousehaftigkeit und wirkt stattdessen beinahe wie ein Moffat-Klon. Es ist entweder ein Zeichen für den Einfluss von Steven Moffat-Folgen wie Blink, The Big Bang oder The Wedding of River Song auf Doctor Who oder ein Zeichen dafür, dass Whithouse aktiv versucht, Moffats Stil zu imitieren, aber streckenweise muss man sich wirklich selbst daran erinnern, hier nicht eine Folge des aktuellen Showrunners zu sehen. Viele der Kniffe und Tricks wirken doch recht bekannt und es fehlt nur ein großer emotionaler Moment und ein paar bessere One-Liner, um die Täuschung perfekt zu machen.

Ich weiß, dass ich nun wirken muss wie jemand, dem man es nicht recht machen kann. Letzte Woche zu viel Rennen durch Korridore, heute zu viel Rennen im Moffat-Stil. Und gegen beides habe ich absolut nichts. Beides kann großartig funktionieren und beides hat diese Doppelfolge zu einem weiteren Highlight in einer bis jetzt grandiosen Staffel gemacht. Doch die Frage ist: Ist das alles, was Whithouse kann? Imitieren? Ein potentieller Chefautor sollte doch um einiges mehr drauf haben als das und sich mit einer eigenen Vision für die Serie durchsetzen können.

Aber wo wir gerade dabei sind, nächste Woche sehen wir die dritte Folge von Mummy on the Orient Express– und Flatline-Autor Jamie Mathieson. Wenn mich nicht alles täuscht, könnte die genau die neuen Ansätze zeigen, was ich in den Folgen 3 und 4 vermisst habe.


Foto © BBC

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