Die Debatte um einen weiblichen Doctor wird wohl erst zu Ende sein, wenn Olivia Colman endlich die Rolle übernimmt (Daumendrücken), aber bis dahin dreht sie sich wohl erstmal noch eine ganze Weile weiter im Kreis. Ich persönlich sehe die Sache wie die meisten Fans: Solange eine Person anstelle eines Geschlechts gecastet wird, weil sie schlicht und einfach die beste für den Job ist, ist mir ziemlich egal, wie sie aussieht oder was sie zwischen den Beinen hat. Hauptsache, sie spricht noch mit britischem Akzent.
Und vielleicht etwas verblüfft: Diese Diskussion ist keineswegs erst in den letzten Jahren vom Zaun gebrochen worden. Gegner mögen „Political Correctness“ oder ähnliches als angebliche Argumente der Befürworter anbringen, aber die Idee eines weiblichen Doctors geht viel weiter zurück. Und ehrlich gesagt ist es fast schon ein Wunder, dass es noch nicht dazu gekommen ist.
Von den unzähligen Interviews und Presseberichten, die im Laufe der ursprünglichen Serie entstanden, sind natürlich nur wenige in einer Form erhalten geblieben, die man heute noch einfach durchsuchen kann. Die früheste überlebende Erwähnung der Idee ist in einem Interview mit Patrick Troughton, Jon Pertwee und Peter Davison zum zwanzigsten Jubiläum 1983. Auf die Frage „Wann wird eine Frau Doctor Who spielen?“, antwortet Davison: „Kommt darauf an, wann ich aufhöre oder nicht?“ und Troughton „Was für eine gute Idee!“ Das ist also ganze 32 Jahre her.
Kandidatinnen
Und beinahe wäre es so weit gekommen. 1986 kämpfte Doctor Who verzweifelt um Ansehen und Zuschauer. Der mögliche Neuigkeitswert, den eine Frau in der Hauptrolle mit sich bringen würde, wurde damals heftig diskutiert. In zwei beispielhaften Leserbriefen an das damalige Doctor Who Magazine (die Originale findet ihr hier) zeigt sich, dass sich seit damals eigentlich rein gar nichts an der Debatte verändert hat:
Ich hoffe, [Produzent] John Nathan-Turner wird beachten, dass der Doctor männlich ist – ein Großvater und Time Lord. Ich bin nicht sexistisch, aber ein weiblicher Doctor ist so lächerlich wie eine männliche Miss Marple.
[Die Idee eines weiblichen Doctors] ist kein bisschen merkwürdiger als eine Raum-Zeit-Maschine mit dem Aussehen einer Polizeibox, dass sie innen größer als außen ist oder dass ein Charakter regenerieren könnte. Mein Vorschlag […]: Joanna Lumley.
Besonders schön: Joanna Lumley hat den Doctor einige Zeit später tatsächlich einmal kurz gespielt, nämlich am Ende des fabelhaften Sketchs The Curse of Fatal Death, geschrieben von Steven Moffat höchstselbst. Allerdings ist dieser Geschlechtswechsel mit einer ganze Menge Augenzwinkern zu sehen:
Besonders interessant wird das zusätzlich durch die Enthüllung, dass Joanna Lumley ganz konkret für die Rolle im Gespräch war! Sydney Newman, Ur-Produzent und Schöpfer von Doctor Who, legte der BBC 1986 einen Entwurf für die unmittelbare Zukunft der Serie vor, in der zunächst Patrick Troughton als siebter Doctor zu seinem alten Job zurückgekehrt wäre, um anschließend von einer Frau ersetzt zu werden. Andere Kandidatinnen neben Lumley waren Frances de la Tour und Dawn French.
Newmans Ausführungen sind auch heute noch interessant:
Doctor Who sollte sich in eine Frau verwandeln. Dies verlangt intensive Überlegungen – hauptsächlich, weil ich eine schrille Hollywood-Wonder Woman vermeiden will. Diese Sorte Heldin ohne Schwächen ist ein Langweiler.
Auch die aus den James Bond-Filmen bekannte Judi Dench wurde zwischenzeitlich in Betracht bezogen.
Geht das überhaupt?
Und dabei gab es zur damaligen Zeit noch nicht einmal einen Hinweis in der Serie selbst, dass Regeneration zwischen Geschlechtern überhaupt möglich ist. Den ersten handfesten Hinweis darauf gab uns Matt Smith in seiner allerersten Szene, in der er für eine Sekunde und mit etwas höherer Stimme als sonst ruft: „I’m a girl!“
Die endgültige Bestätigung, dass es nicht nur möglich, sondern üblich ist, kam erst in The Doctor’s Wife durch die Erwähnung des Corsair, eines Time Lords, der ein paar Mal als ein Er und eine Sie regenerierte, sowie natürlich, wir sollten es mittlerweile alle mitbekommen haben, durch Michelle Gomez als die neueste Darstellerin des Masters.
Aber wie funktioniert das eigentlich? So rein anatomisch zumindest? War es einfach Zufall, dass bis jetzt fast alle Regenerationen der Serie ihr Geschlecht behielten? Ist ein Geschlechtswechsel vielleicht die Folge einer schiefgegangenen oder irgendwie anderen Regeneration? Oder kommt so etwas vielleicht einfach viel öfter vor, wenn man (wie der Master und jetzt auch der Doctor) in seinem zweiten Regenerationszyklus ist? Über die Ursprünge von Missy wissen wir im Moment deutlich zu wenig, um uns darüber ein Bild machen zu können.
Wenn, dann so
Ich persönlich bin (wie Steven Moffat) der festen Überzeugung, dass früher oder später eine Frau den Doctor spielen wird. Wie dieser Artikel gezeigt hat, ist es fast schon ein bisschen merkwürdig, dass es nicht schon lang so weit war. Und wenn es schließlich dazu kommt, öffnet es gleichzeitig eine Schatztruhe voll mit Möglichkeiten für neue Ideen und Ansätze.
Wichtig ist nur: Man sollte es nicht zum Aushängeschild machen. Niemand will eine Staffel, in der Doctor zu einem geschlechterspezifischen Stereotypen wird, sich auf einmal sehr für Schuhe interessiert und einen Haufen Witze darüber macht. Da wäre die Missy-Methode doch geschickter. Die sah in Death in Heaven nämlich in etwa folgendermaßen aus: „Der Master ist jetzt eine Frau, aber wir haben wirklich Wichtigeres zu tun, als uns darüber Gedanken zu machen. Es gibt drängendere Probleme.“
Und ob nun von einem Mann oder einer Frau gespielt, bei einem können wir uns sicher sein: Doctor Who werden die Probleme nie ausgehen.
Foto © BBC
Auch interessant: Wie nennen wir eigentlich einen weiblichen Doctor?
Darüber, dass es noch keinen weiblichen Doctor gab, hab ich mich ebenfalls schon längst gewundert. Die Autoren sind derart versiert, dass kein Klischee draus werden würde. Nach (der absolut genialen) Missy befürchte ich allerdings, dass das Thema erst einmal vom Tisch ist. Im Sinne von: Naja. Wir hatten ja jetzt schon einen weiblichen Gegenspieler, da muss der Doctor schon noch ein Mann bleiben.
Genauso seltsam finde ich jedoch, dass momentan die Begleitung des Doctors anscheinend zwangsläufig eine Frau sein muss (Rose, Martha, Donna, Amy, Clara). Rory war zwar ein echt symphatischer Typ, aber doch Amys Begleiter, nicht der des Doctors. Zwei Typen auf Dauer in der kleinen blauen Kiste wären jedenfalls auch mal eine Überlegung wert, oder? In alten Doctor-Who-Folgen gab es das auch schon mal, glaube ich. Gibt ebenfalls bestimmt viel Stoff her.
LikeLike
Wenn ein weiblicher Doctor kommt, will ich auf jeden Fall auch einen männlichen Companion. Ich glaube, die Dynamik durch zwei unterschiedliche Geschlechter funktioniert traditionell einfach ein bisschen zu gut, um sie aufzugeben.
Als einziger männlicher Begleiter, der mal mit dem Doctor für eine Zeit alleine unterwegs war, fällt mir Jamie McCrimmon ein. Und der war ziemlich klasse, es ist nur seitdem nie wieder probiert worden.
LikeGefällt 1 Person
Mich hat halt das mit den Love-Stories ziemlich genervt. Da waren Szenen mit dem Doctor und Wilfred echt mal ein schöner Kontrast. ;)
LikeLike
[…] Quelle: Time Ladies – Der seltsame Fall des weiblichen Doctors […]
LikeLike