Series 1, Folge 1
Deutscher Titel: Rose
mit Christopher Eccleston und Billie Piper
Drehbuch: Russell T Davies
Regie: Keith Boak
45 Min. / Erstausstrahlung 26.3.2005
A-
Rose war die erste Doctor Who-Folge, die ich je gesehen habe. Damals, vor langer Zeit, als Gallifrey noch zerstört und „War“ noch keine Zahl war. Und ich erinnere mich noch genau an meine damalige Reaktion. Zu sagen, ich hätte gemischte Gefühle gehabt, würde es etwas zu freundlich ausdrücken. Ich wusste schlicht und einfach überhaupt nicht, was ich hiermit anfangen sollte. Mörderische Schaufensterpuppen? Ein grauenhaft animierter Feuer-Blob unter dem London Eye? Mülltonnen, die rülpsen? Wo zur Hölle war ich hier bloß hineingeraten?
Einige Zeit später, als ich schon ahnte, dass die Antwort auf meine Frage „in die beste Serie aller Zeiten“ sein sollte, kehrte ich noch einmal zu dieser Folge zurück und habe es seitdem immer wieder getan. Und je öfter ich Rose sehe, desto besser gefällt sie mir. Es ist unglaublich, wie sehr diese Folge mit mehrmaligem Anschauen wächst, wie perfekt sie den Doctor mit seinem ganzen Humor und seinen verschleierten Rätseln vorstellt und sogar den Time War andeutet, der erst acht Jahre nach Ausstrahlung dieser Folge endgültig aufgeklärt werden würde.
Doctor Who ist und war eben immer eine Serie für Kinder (nur, wie Steven Moffat es einmal ausdrückte, dass einige dieser Kinder mittlerweile erwachsen geworden sind). Und noch dazu eine ziemlich bescheuerte. Ein Typ, der in einer blauen Polizeinotrufzelle durchs Weltall fliegt? Wer kann so etwas ernst nehmen? Russell T Davies jedenfalls nicht. Oder zumindest nicht so ganz. Sicher, wenn einige Folgen später das erste Mal ein Dalek sein Unwesen treibt und ein ganzes Geschwader auf einmal exekutiert, ist das noch einmal auf einem ganz anderen Level als die etwas lächerlichen Schaufensterpuppen in Rose, aber so soll es natürlich auch sein. Kein Schatten ohne Licht. Keine düstere Folge ohne eine mit Humor und Unbeschwertheit.
Sobald man das verstanden hat, gibt es an Rose so viel zu lieben. An einer Stelle läuft der Doctor hinten nebenbei durchs Bild, blättert in Sekundenschnelle einen Roman durch und verkündet: „Hmm. Sad ending!“ Und sogar die rülpsende Mülltonne, ja, sogar die, gefällt mir mittlerweile richtig gut. Ich meine, wir befinden uns in einer Welt, in der Schaufensterpuppen Menschen erschießen und gummihafte Mülleimer Leute verschlingen! Warum sollen sie nicht auch rülpsen dürfen?
Der Gruselfaktor funktioniert auf wundersame Weise trotzdem und wie diese beiden Dinge, Humor und Spannung, zusammenkommen, wird durch eine kleine Szene demonstriert, in der der Doctor beinahe von einer Puppen-Hand erwürgt wird und gleichzeitig um Luft sowie um Aufmerksamkeit ringen muss. Es ist ein grandioser Moment, komisch, aufregend und doch irgendwie so alltäglich. Neuen Zuschauern wird gleich von Beginn an klar, dass das hier zum Normalzustand gehört. So ist das Leben halt im Whoniversum. Plastikhände versuchen dich zu ermorden. Na und?
Aber gleichzeitig weiß das Skript auch genau, wann Schluss ist. Wann es nicht mehr um Klamauk, sondern nur um die Figuren gehen sollte. An dieser Stelle wird auch die Erzählperspektive interessant. Zum ersten Mal seit An Unearthly Child, der allerersten Doctor Who-Folge aus dem Jahr 1963, wurde ein Doctor allein aus der Sicht des Companions vorgestellt. Rose, nach wie vor einer der beliebtesten Begleiter des Doctors, ist unsere Pforte in die Welt, die innen größer ist als außen, ihre Reaktionen machen das Ganze erst real. Die beste Szene der Folge ist eine sehr einfache und sie beinhaltet weder Monster noch Mülltonnen. Sondern nur zwei Charaktere, die eine alltägliche Straße entlanglaufen. Im Hintergrund schimmert die noch unerkannte TARDIS.
DOCTOR: It’s not a price war. They want to overthrow the human race and destroy you. Do you believe me?
ROSE: No.
DOCTOR: But you’re still listening.
ROSE: Really, though, Doctor. Tell me, who are you?
DOCTOR: Do you know, like we were saying about the Earth revolving? It’s like when you were a kid. The first time they tell you the world’s turning and you just can’t quite believe it because everything looks like it’s standing still. I can feel it. The turn of the Earth. The ground beneath our feet is spinning at a thousand miles an hour, and the entire planet is hurtling round the sun at sixty seven thousand miles an hour, and I can feel it. We’re falling through space, you and me, clinging to the skin of this tiny little world, and if we let go. That’s who I am. Now, forget me, Rose Tyler. Go home.
Und der Rest ist Geschichte. Und wäre nicht einmal geschehen, wenn Rose einfach das getan hätte, was der Doctor sich seit 900 Jahren von seinen menschlichen Begleitern wünscht: Nur ein einziges Mal auf ihn zu hören.
Fotos © BBC
Hach – „Rose“ war auch meine erste Doctor-Who-Folge …
Ich konnte auch nicht anders, als dabei zu bleiben. Genau aus dem Grund, den du auch genannt hast: man weiß nie, wirklich NIEMALS, was man bekommt: absolut Beklopptes, Nervenzerfetzendes, Unangenehmes, Philosophisches, Trauriges – und alles irgendwie zur gleichen Zeit. Die Fülle an Ideen, Stimmungen, interessanten Charakteren, Schauplätzen motiviert sogar nach grottig schlechten Folgen, immer noch weiter zu schauen.
Mein liebster Begleiter war übrigens Donna – die freundschaftliche Dynamik zwischen ihr und dem Doktor war genial. Und sie war hinter all ihrer lauten Art doch irgendwie eine der tragischsten Figuren. Nachdem sie sich endlich ein positives Selbstwertgefühl erkämpft hatte – und sogar der Doctor war! – blieb ihr am Ende von all den abgefahrenen Abenteuern nur ein blödes Lotterielos …
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